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Apothekerschaft lehnt Entwurf zur Apothekenreform ab

Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker lehnen das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor wenigen Tagen vorgeschlagene Apothekenreformgesetz ab. In einer heute gegenüber dem BMG abgegebenen Stellungnahme zum Referentenentwurf argumentiert die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, dass die vorgeschlagenen Reformen die Arzneimittelversorgung in Deutschland irreparabel zerstören, statt sie für die Zukunft zu stabilisieren.

Leerstand in einer Apotheke
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Beispiele für diesen vom BMG geplanten verbraucherpolitischen Schaden sind die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschläge, auf Apothekerinnen und Apotheker in der Apotheke zu verzichten sowie die Ausstattungen und Öffnungszeiten der Apotheken einzuschränken. In der Konsequenz sind zehntausende Arbeitsplätze in Apotheken gefährdet und ist eine gravierende Verschlechterung der Arzneimitteltherapie- und Patientensicherheit zu befürchten. Leistungen wie die Abgabe von Betäubungsmitteln, Medikationsanalysen, Rezepturen oder Impfungen dürfen nur von Apothekerinnen und Apothekern erbracht werden. In diesen Bereichen drohen nach den BMG-Plänen Leistungskürzungen für die Bevölkerung.

In der ABDA-Stellungnahme heißt es wortwörtlich: „Ausgehend von der Prämisse, dass der Bundesregierung das vorhandene hochwertige Apothekenwesen das für seine Erhaltung erforderliche Geld nicht wert ist, werden auf den ersten Blick plausibel erscheinende Mechanismen wie die Umverteilung von Arbeitserträgen und die Senkung von Kosten instrumentalisiert, um einen grundlegenden Systemwandel herbeizuführen.“ Weiter schreibt die ABDA: „Durch die Zulassung von Betriebsstätten, die ohne vor Ort anwesende Apothekerin oder anwesenden Apotheker betrieben werden, wird der Begriff Apotheke des ihn ausmachenden Wesenskerns beraubt, die Apothekenpflicht faktisch abgeschafft und der Weg zur Zulassung des Fremdbesitzes geebnet.“ Ferner heißt es: „Die Möglichkeit, zusätzlich zu den heute maximal vier Betriebsstätten einer Apotheke zwei Zweigapotheken betreiben zu dürfen und Entfernungen zwischen den Betriebsstätten von ca. drei Stunden PKW-Fahrzeit zuzulassen, machen bei minimaler Anwesenheitspflicht in den Betriebsstätten aus der eigenverantwortlichen Leitung einer Apotheke durch einen freien Heilberuf faktisch eine Fiktion.“

Bei der Anhörung zum Referentenentwurf des Apothekenreformgesetzes am 25. Juni 2024 im Bundesgesundheitsministerium wird die ABDA diese Positionen mündlich erläutern. Weitere politische Maßnahmen diskutiert und entscheidet die ABDA gemeinsam mit den Kammern, Verbänden und der gesamten Apothekerschaft in diesen Tagen.

Videobotschaft der ABDA-Präsidentin

Die Worte der Präsidentin zum Nachlesen und teilen...

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie sieht die Apotheke vor Ort in der Zukunft aus? Wird es noch Apotheken mit Apothekerinnen und Apothekern geben? Seit dem Vorliegen des Referentenentwurfs zur Apothekenreform wissen wir ganz genau: unsere Zukunft steht auf dem Spiel. Ihre Wut, Ihre Angst, Ihre Verzweiflung, das teile ich. In den vielen Mails, Briefen und Anrufen zeigen Sie, wie tief enttäuscht, wie gedemütigt und wie verärgert Sie sind.

Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums sind eine zerstörerische Reform, die die Versorgung durch Apothekerinnen, Apothekern in der Apotheke vor Ort abschafft und zehntausende Arbeitsplätze gefährdet. Letztendlich sind die Leidtragenden dieser ideologischen Pläne unsere Patientinnen und Patienten, die für die Sicherheit bei ihren Arzneimitteltherapien auf unsere Kompetenz angewiesen sind. Das Lauterbach’sche Apothekenmodell führt zu Leistungskürzungen, zu Qualitätseinbußen, zur Verunsicherung und zu Vertrauensverlust.

Um es zusammenzufassen: Wir sagen Nein zur Trivialisierung der Arzneimittelversorgung. Die Gesundheit der Bevölkerung unseres Landes wird hier in Gefahr gebracht. Wir sagen Nein zu Scheinapotheken, die keine verbindlichen Qualitäten immer und überall gewähren und die die Trivialisierung der Arzneimittel als normales Konsumgut weiter vorantreiben. Wir sagen Nein zu dieser Ignoranz gegenüber den Versorgungsbedürfnissen der Menschen. Kurzum wir sagen Nein zur vorsätzlich betriebenen Zerstörung der heilberuflich geführten und voll versorgenden Apotheke vor Ort.

Nun wollen Sie zu Recht wissen, wie wir als Standesvertretung das parlamentarische Verfahren begleiten. Vom Zeitstrahl her wird sich am 17. Juli das Kabinett mit dem Entwurf befassen. Kommt es zum Kabinettsbeschluss, geht der Beschluss ins Parlament und an den Bundesrat. Das Parlament trifft sich dann aber erst wieder in der zweiten Septemberwoche. Dennoch werden wir in der Sommerpause im engen Austausch mit den MdBs und den Landesministerien bleiben, um mit ihnen über notwendige Änderungen an diesem Entwurf zu beraten.

Aber klar ist: Mit dem Vorschlag zur apothekerlosen Apotheke hat das Ministerium einen Tabubruch begangen. Diese als Reform getarnte Mogelpackung, dieses Trojanische Pferd, müssen wir demaskieren. Das darin steckende Zerstörungspotenzial für eine sichere, patientennahe und vertrauensvolle Arzneimittelversorgung durch die bewährten, heilberuflich geführten Apotheken mit Apothekerinnen und Apothekern muss herausgeschnitten werden. Ehe wir das Gesetzgebungsverfahren im Übrigen inhaltlich begleiten können.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Trotz dieser bedrohlichen, ja scheinbar aussichtslosen Lage gilt für uns Mut, Konstruktivität und Zuversicht beizubehalten und für unsere Zukunft und eine sichere Arzneimittelversorgung zu kämpfen. Bislang reden wir über einen im BMG entworfenen Referentenentwurf und nicht über ein fertiges Gesetz. Weder das Bundeskabinett noch der Bundesrat oder der Bundestag haben sich bislang mit diesen Plänen beschäftigt. Hier gibt es jetzt die konkreten weiteren Möglichkeiten für Gespräche und sonstige Kommunikation, um unsere Ablehnung gegen diese Pläne zu platzieren.

Was uns Mut machen kann, sind die vielen Gespräche, die ich bereits in den vergangenen Tagen – seit dem Durchstechen des Entwurfs über die Medien mit Abgeordneten der Ampelkoalition im Deutschen Bundestag – geführt habe. Schon jetzt wird sichtbar, dass es auch in den Ampelfraktionen einige für uns entscheidende Politikerinnen und Politiker gibt, die die Apotheke ohne Approbierte und die damit verbundene Kündigungswelle ebenfalls strikt ablehnen.

Rückenwind kommt auch aus den Ländern. Die Gesundheitsministerinnen und die Gesundheitsminister der Länder lehnen die Pläne genau wegen ihres Zerstörungspotenzials vehement ab. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! In diesen Gesprächen mit der Politik wird uns signalisiert, dass wir den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen dürfen und uns konstruktiv und gestalterisch einbringen sollen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Dieser verbindliche gute Gesprächsfaden wird für die nächsten Monate entscheidend sein.

Denn das Parlament macht die Gesetze, nicht das Ministerium. Für die kommenden Wochen sind mehrere weitere Gespräche bereits vereinbart. Selbstverständlich werden alle Bundestagsabgeordnete aus dem Gesundheitsausschusses sowie alle Patientenbeauftragten der Länder im Rahmen einer Informationswelle unsere Positionspapiere erhalten. In unseren Papieren gehen wir insbesondere auf die Auswirkungen der geplanten Leistungskürzungen für die Bevölkerung ein. Gerade in dieser sensiblen Phase, in der das Papier in den Bundesrat und den Bundestag wandert, können entscheidende Weichen für das weitere Gesetzgebungsverfahren gestellt werden.

Während Proteste zu einem anderen Zeitpunkt nötig werden könnten, wäre eine sofortige Protestwelle mit gewollter Provokation kontraproduktiv. Ich bin überzeugt, dass große Teile der Politik die Apotheke vor Ort als wichtige soziale Instanz in der kommunalen Primärversorgung erhalten und stabilisieren, ja sogar ausbauen wollen. Wir werden mit Argumenten überzeugen müssen. Natürlich wird es aber auch nötig sein, unsere Argumente gegenüber einer größtmöglichen Öffentlichkeit darzustellen.

Denn auch gesellschaftlicher Druck kann Druck auf Politik ausüben. In den kommenden Tagen werden wir daher eine groß angelegte politische Kampagne starten, die in mehreren Phasen verläuft. Ziel der Kampagne ist, der Politik und Gesellschaft zu verdeutlichen, auf welche Apothekenleistungen unsere Patientinnen und Patienten künftig verzichten müssten. In der ersten, sehr schnell startenden Phase werden wir insbesondere über Social Media Informationen streuen, die die Radikalität der BMG-Pläne verdeutlichen.

Gerade in dieser Phase brauchen wir unbedingt Sie liebe Kolleginnen und Kollegen! Schließen Sie sich an! Teilen Sie diese Inhalte! Nutzen Sie diese Kampagne und werden Sie auf Ihren eigenen Kanälen kreativ! Alles weitere dazu werden Sie in Kürze über Ihre Verbände und Kammern erfahren. Während dieser ersten Welle entsteht im Hintergrund eine nächste größer angelegte, emotionalisierende Kampagnenwelle zum Nutzen und zu den Leistungen unserer Apotheken.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch noch einmal ermuntern, direkte Kontakte mit der Politik aufzunehmen. Schreiben Sie Ihrer Bundestagsabgeordneten oder Ihrem Bundestagsabgeordneten in Ihrem Wahlkreis. Bitten Sie um ein Gespräch. Laden Sie zu sich in die Apotheke ein. Die Aktion “Wir müssen reden”, die wir zum Tag der Apotheke gestartet haben, ist weiterhin richtig und wichtig. Zeigen Sie der Politik direkt vor Ort in Ihrer Offizin, was die Lauterbach’schen Pläne im Versorgungsalltag für katastrophale Auswirkungen hätten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kein einziges Gesetz kommt so aus dem Bundestag, wie es vom Bundeskabinett in den Bundestag hineingegeben wurde. Lassen Sie uns gemeinsam und geschlossen alles Mögliche tun, um diese Chancen zu nutzen, die Apotheke der Zukunft zu sichern. Ich verspreche Ihnen, ich werde alles tun und werde alles daransetzen. Ich danke Ihnen schon heute für Ihren Einsatz!

Amtsapotheker kritisieren den BMG-Referentenentwurf

Die Pläne zur Reform der Apotheken vor Ort wurden heute (20. Juni 2024) beim turnusmäßigen Treffen der Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker aus den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf mit der Apothekerkammer Nordrhein breit diskutiert.

In der kritischen Bewertung des Themas bestand Einigkeit unter den Anwesenden: » Die Pläne des BMG gefährden die qualitätsgesicherte Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln. Dies führt zu einer gravierenden Verschlechterung der Arzneimitteltherapie- und der Patientensicherheit sowie Einbußen beim Verbraucherschutz. Denn einer Trivialisierung von Arzneimitteln wird damit Tür und Tor geöffnet. Unserer Aufgabe als Überwachungsbehörde könnten wir so kaum noch gerecht werden. «

Weltapothekerverband warnt: Apotheken ohne
Apotheker würde Versorgung erheblich verschlechtern

Der Weltapothekerverband FIP (Federation Internationale Pharmaceutique) warnt die deutsche Politik eindringlich davor, Apotheken ohne die ständige Aufsicht eines Apothekers oder einer Apothekerin zu erlauben. Die deutsche Politik wird aufgefordert, bei der Entscheidungsfindung die Patientenversorgung und -sicherheit in den Fokus zu stellen. Die FIP ist ein globaler Verband, der über vier Millionen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, pharmazeutische Wissenschaftler und pharmazeutische Ausbilder weltweit vertritt. In einem Brief unterschrieben von FIP-Präsident Paul Sinclair heißt es:

"Wir wenden uns mit diesem Schreiben an die mögliche Änderung der Politik in Deutschland, die die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (POM) ohne die Anwesenheit eines Apothekers erlauben würde. Diese Angelegenheit muss sorgfältig geprüft werden, da sie sich auf die Patientensicherheit und die Qualität der pharmazeutischen Versorgung auswirkt.

Es gibt weltweit Beispiele, in denen die Anwesenheit von Apothekern in öffentlichen Apotheken nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, aber diese beschränken sich auf Länder mit weniger strengen Berufsvorschriften oder unzureichenden Kapazitäten an Apothekern, was in Deutschland nicht der Fall ist. Das deutsche Apothekengesetz schreibt traditionell vor, dass ein Apotheker Inhaber einer Apotheke sein muss und dass seine Anwesenheit in der Apotheke eine strenge Überwachung und Qualität der Versorgung gewährleistet. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln handelt es sich nicht um normale Handelswaren, sondern um hochwirksame, streng regulierte Präparate, die nur unter strenger, fachlicher Aufsicht eines Apothekers abgegeben werden sollten. Wo immer verschreibungspflichtige Arzneimittel abgegeben werden, muss ein Apotheker anwesend sein.

Die Beweislage ist eindeutig. Die Zulassung der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Aufsicht durch einen Apotheker könnte zu einer erheblichen Verschlechterung der Qualität des Apothekenbetriebs und der Standards der Patientenversorgung führen. Es könnte direkt dazu führen, dass Apotheken zu reinen Einzelhandelsgeschäften werden, da die kritische klinische Beurteilung, die Apotheker bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln abgeben, wegfällt. Dazu gehören der verantwortungsvolle Umgang mit Medikamenten, das Erkennen von Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder Lebensmitteln und die Bereitstellung therapeutischer Substitutionen, falls erforderlich."

Die gesamte Stellungnahme zum Download (englisch)

DPhG-Stellungnahme: Apotheke der Zukunft ohne Apothekerinnen und Apotheker? Von Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG)

Der vom BMG vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform (ApoRG) soll die Arzneimittelversorgung in der Fläche sichern. Vorgesehen sind unter anderem „eine Flexibilisierung und Entbürokratisierung bei strukturellen Anforderungen“. Was sich auf den ersten Blick positiv anhört, entpuppt sich jedoch als Qualitätsverlust in der Arzneimittelversorgung und wird die Weiterentwicklung des Apothekerberufs ausbremsen. Insbesondere das Vorhaben, dass Filialapotheken ohne einen vor Ort anwesenden approbierten Apotheker betrieben werden können, gefährdet die Patienten- und Versorgungssicherheit, steht im Widerspruch zu wissenschaftlicher Evidenz und ignoriert die gewachsene Bedeutung des Apothekers für die Arzneimitteltherapiesicherheit.

Die Beratung zu Arzneimitteln und die Therapiebegleitung der Patienten ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nur von wissenschaftlich an einer Universität ausgebildeten Apothekern verantwortlich wahrgenommen werden kann. Dabei reicht es nicht, wie es der Referentenentwurf vorsieht, einen Apotheker bei Bedarf online („telepharmazeutisch“) hinzuzuschalten, weil dies fälschlicherweise voraussetzt, dass bereits der Bedarf für eine pharmazeutische Intervention auch ohne Apotheker erkannt werden kann. Dabei ist die pharmazeutische Kompetenz gerade auch im persönlichen Patientengespräch unverzichtbar, um aktuelle und künftige Arzneimittelrisiken zielgerichtet erkennen zu können. Eine patientenindividuelle Beratung von Patienten mit komplexer Medikation, z.B. um potentielle Arzneimittelwechselwirkungen zu bewerten oder auch Non-Adhärenz bzw. Anwendungsschwierigkeiten zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten, kann daher nur von einem Apotheker vor Ort geleistet werden.

Die gesamte Stellungnahme zum Download