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Rund 900 Teilnehmer waren heute (24.11.2021) bei der 61. Großen Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Nordrhein zum Thema "Der geriatrische Patient" online dabei. Kammervizepräsidentin Kathrin Luboldt begrüßte auch im Namen von Kammerpräsident Dr. Hoffmann die Interessierten und freute sich über die rege Teilnahme. Sie betonte in ihrem Grußwort die Bedeutung der Apotheke vor Ort für die Versorgung, als empathische Helfer und Problemlöser für ältere Menschen im Hinblick auf die bevorstehende Digitalisierung.
Dr. Katja Renner, Fortbildungsausschussvorsitzende, begleitete durch den Abend. Eröffnet wurde der Abend mit dem Vortrag „10 Jahre PRISCUS-Liste – endlich alles perfekt in der Versorgung älterer Patienten von Prof. Dr. Petra Thürmann. Gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber Wirkstoffen, paradoxe Reaktionen oder eine gestörte Gegenregulation sind alterstypische Wirkungen, die insbesondere bei Menschen in Pflegeeinrichtungen ein hohes UAW-Risiko bergen. Um dies zu vermeiden wurde 2010 die erste PRISCUS-Liste mit 83 potenziell inadäquaten Medikationen (PIM) im Alter veröffentlicht. Und tatsächlich konnte das Verordnungsvolumen gesenkt werden. Wie die RIME-Studie (Reduction of potentially Inappropriate Medication in Elderly) jedoch zeigt, verbesserten sich die Endpunkte wie Mortalität oder Lebensqualität nicht. Dennoch besteht weiterhin die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Medikation älterer Patienten. In einer Neuauflage des PRISCUS-Verfahrens wurden insgesamt 133 neue PIM definiert. Dazu zählen nun auch Sulfonylharnstoffe, Glinide, Coxibe, Fluorchinolone, Spironolacton in Dosierungen über 25 mg pro Tag sowie PPI-Verordnungen über acht Wochen und Risperidon über sechs Wochen. Fazit von Prof. Thürmann: Die Liste ist gut, reicht alleine aber nicht aus!
Doch richtige Wirkstoffauswahl nutzt wenig, wenn die jeweiligen individuellen Einschränkungen bei der Auswahl der Arzneiform nicht berücksichtigt werden. Apotheker Dr. Wolfgang Kircher beschäftigt sich seit Jahren mit der Anwendung von Arzneiformen durch ältere Patienten. Am Beispiel eines Asthmadevice erläuterte Dr. Kircher, welche Fähigkeiten vom Auspacken bis zur Entsorgung erforderlich sind: Feinmotorik und Taktilität, Kognition, Gehör, Geschmack und Visus. Die ergonomischen Charakteristika der Arzneimittel unterscheiden sich zum Teil deutlich. Die Kraft, die beim Auslösen eines Asthmasprays ausgeübt werden kann, ist abhängig von Geschlecht, Alter und ob z.B. nur Zeigefinger und Daumen einsetzt werden, die Haltung des Unterarms und wie das Handgelenk ausgerichtet ist. Um ein Dosieraerosol auszulösen benötigt man etwa 30 Newton (N), Patienten mit Arthrose in den Händen bringen diese Kraft oft nicht mehr auf. Bei Inhalatoren mit Hartkapseln benötigt man je nach Hersteller zwischen ca. 12 und 30 N, um den Wirkstoff für die Inhalation bereitzustellen. Solche Erfahrungen sollten bei Rücksprachen mit Verordnern als Empfehlungen einfließen, um auch im Alter eine therapieadäquate Medikation sicherzustellen. Für die Betreuung von Senioren geeignet schätzt Dr. Kircher digital vernetzte Arzneiformen – Tracker, die mit dem Arzneimittel verbunden sind und die Daten der Anwendung über das Patienten-Handy an die Apotheke übermitteln.
Prof. Dr. Marjan van den Akker stellte die Frage „Bringt viel viel?“ Multimedikation ist die Herausforderung für die versorgenden Ärzte, aber auch für Patienten und alle an der Versorgung Beteiligten. Vor allem in den Altersgruppen 60 bis 69 und 70 bis 79 kann man sowohl bei Frauen als auch Männern eine deutliche Prävalenz von Multimedikation erkennen. Ziel sollte es sein, eine unerwünschte oder nicht angepasste Multimedikation zugunsten der notwendigen und angepassten aufzulösen. Unangepasst sind Arzneimittel mit Kontraindikationen, ohne klare Indikation, Doppelverordnungen ähnlicher Wirkstoffe, Verschreibungskaskaden und überflüssige Arzneimittel. Zusätzlich sollte bei einem Medikationsreview auch die Patientenperspektive, also z.B. patientenrelevante Endpunkte wie Lebensqualität, einfließen. Außerdem soll die Beurteilung regelmäßig und interdisziplinär erfolgen, also neben den Ärzten auch Apotheker und Pflegepersonal beteiligen. Auf diese Weise kann die Multimedikation unter Berücksichtigung der Patientenpräferenzen angepasst werden. Das bedeutet nicht immer, dass sich die Anzahl der eingenommenen Arzneimittel verringert. Denn obgleich es paradox klingt, sind Patienten mit Multimedikation nicht selten unterversorgt, z.B. durch eine unzureichende Schmerzmittelversorgung. Sind Patienten mit der Therapie einverstanden, dann ist erfahrungsgemäß die Adhärenz vor allem bei Dauermedikation besser.
Zum Abschluss stellte Apothekerin Ina Richling, Pharm D, einen typischen geriatrischen Patienten mit akuter Verschlechterung wegen bestehender Herzinsuffizienz zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme und seine Medikation – 14 Wirkstoffe – vor. Gemeinsam mit den beiden ATHINA-Apothekerinnen Dr. Susann Behrens und Franziska Lemmer diskutierte Richling den Fall und welche Möglichkeiten sich anbieten, die Medikation zu optimieren. Die Entlassmedikation umfasst weiterhin 13 Wirkstoffe – davon fünf allein zur leitliniengerechte Behandlung der Herzinsuffizienz. Einige Wirkstoffe wurden ausgetauscht. Die öffentliche Apotheke muss mit dem Patienten seine Gesamttherapie besprechen, erklären, wofür welcher Wirkstoff ist, ob er mit dem Umgang hinreichend vertraut ist, und nachfragen, ob er sich mit der neuen Medikation besser fühlt. Zudem sollten noch einmal kritisch die Notwendigkeiten aller Arzneimittel hinterfragt und eventuell mit dem Hausarzt Rücksprache gehalten werden. Dabei ist es wichtig im Blick zu behalten, ob der Patient seine Medikation managen und inwiefern er sich selbst monitoren kann, z.B. durch eine regelmäßige Gewichtskotrolle. Benötigt er zum Beispiel fürs Teilen eine Applikationshilfe? Lässt sich durch Optimierung der Einnahmezeitpunkte die Adhärenz steigern.
Die Skripte zur Veranstaltung sind bis zum 31.1.2022 unter https://ak.nrw/fobi-skripte unter der Veranstaltungsnummer 61_GF und dem Passwort GFGER zum Download hinterlegt.
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